Quelle: Kieler Nachrichten vom 23.12.2015
Eine alte Bibel gibt in Schwentinental Rätsel auf. Sie wurde 1949 anlässlich der Einweihung des Andachtsraums im Flüchtlingslager Karkkamp übergeben. Wie der Heimatbund inzwischen herausfand, wurde sie aber bereits um 1880 gedruckt – in den USA. Wie das Exemplar nach Deutschland kam, ist ungeklärt.
Schwentinental. Die frühere Raisdorfer Altarbibel ist ein imposantes, ledergebundenes Exemplar. Beim Durchblättern stößt man auf farbige, teilweise auch englisch beschriftete Bilder und zusätzliche Kapitel wie Tiere, Vögel, Insekten und Reptilien der Bibel. Lange war das Buch verschollen. Erst bei Aufräumarbeiten im alten Pastorat am St.-Martins-Weg vor zwei Jahren, kurz vor dem Abbruch, tauchte es wieder auf. Mit Erlaubnis der Kirchengemeinde machte sich der Heimatbund an die Nachforschungen zur Geschichte des ungewöhnlichen Exemplars.
Denn ganz sicher war nur seine Ankunft in Raisdorf: Eine fest eingebundene Urkunde dokumentiert die Übergabe des Buches durch Superintendent Ernst Gramlow an die St.-Martinskapelle in Raisdorf Ende August 1949. Diese war von den damaligen Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten im Lager Karkkamp eingerichtet worden. Wie Altbürgermeister Helmut Ohl, Hobby-Historiker und Vorsitzender des Heimatbundes, berichtet, gab es damals keine kirchliche Einrichtung im Dorf: Raisdorf wurde von Preetz mit betreut.
Der damalige Propst Karl Kobold kam zur Einweihung der Kapelle. Sie bekam den Namen des Heiligen, der seinen Mantel teilte – passend zur Situation im Ort, der vor dem Krieg nur gut 800 Einwohner zählte und durch die Flüchtlinge auf mehr als das Doppelte angewachsen war. Lagerpastor Rudolf Fitzner war selber Flüchtling. Gramlow war 1949 Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks der evangelischen Kirche in Raisdorf. 1960 wurde schließlich eine „richtige“ Kirche gebaut und eingeweiht, die St.-Martinskirche. Das Lager verschwand.
Wie es kam, dass die Bibel aus dem Blickfeld geriet, konnte Ohl nicht mehr rekonstruieren. Lediglich ein Zeitzeuge, der bei Pastor Fitzner Konfirmationsunterricht gehabt hatte, habe sich noch daran erinnern können, berichtet Ohl. Ebenso unklar ist, wie das ungewöhnliche Exemplar überhaupt nach Raisdorf kam. Eine dünne Zeile mit Hinweis auf die Kongressbibliothek in Washington veranlasste Ohl dazu, dort nachzufragen und Fotos zu schicken.
Die Antwort war ergiebig: Es handele sich um eine US-amerikanische Ausgabe, die in den Jahren 1875 bis 1880 vom Verlag J. R. Jones gedruckt wurde. Dieser Verlag, auch als National Publishing Company bekannt, habe nach dem amerikanischen Bürgerkrieg Bibeln in aufwendiger Ausstattung für den Hausgebrauch veröffentlicht. Da es damals eine große deutschsprachige Gemeinde in den USA gab, sei eine deutsche Ausgabe für den Verlag vermutlich profitabel gewesen.
„Wie eine amerikanische Bibel in deutscher Sprache zum Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland kam, ist natürlich ein Rätsel“, schreibt der German Area Specialist der Kongressbibliothek weiter. Ohl hatte einen Zusammenhang mit den britischen Besatzungskräften in Schleswig-Holstein vermutet, das schloss der Spezialist aber aus.
Geplant ist nun, die Bibel im Vorraum der St.-Martinskirche auszustellen, im Rahmen einer Erinnerungsstätte an die Lagerkapelle. Das damalige Holzkreuz befindet sich bereits dort.
Eine alte Bibel gibt in Schwentinental Rätsel auf. Sie wurde 1949 anlässlich der Einweihung des Andachtsraums im Flüchtlingslager Karkkamp übergeben. Wie der Heimatbund inzwischen herausfand, wurde sie aber bereits um 1880 gedruckt – in den USA. Wie das Exemplar nach Deutschland kam, ist ungeklärt.
Helmut Ohl zeigt die Raisdorfer Bibel: Sie enthält auch farbige Bilder mit englischen Bildunterschriften – wie hier Moses mit den Gesetzestafeln Quelle: Andrea Seliger |
Denn ganz sicher war nur seine Ankunft in Raisdorf: Eine fest eingebundene Urkunde dokumentiert die Übergabe des Buches durch Superintendent Ernst Gramlow an die St.-Martinskapelle in Raisdorf Ende August 1949. Diese war von den damaligen Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten im Lager Karkkamp eingerichtet worden. Wie Altbürgermeister Helmut Ohl, Hobby-Historiker und Vorsitzender des Heimatbundes, berichtet, gab es damals keine kirchliche Einrichtung im Dorf: Raisdorf wurde von Preetz mit betreut.
Der damalige Propst Karl Kobold kam zur Einweihung der Kapelle. Sie bekam den Namen des Heiligen, der seinen Mantel teilte – passend zur Situation im Ort, der vor dem Krieg nur gut 800 Einwohner zählte und durch die Flüchtlinge auf mehr als das Doppelte angewachsen war. Lagerpastor Rudolf Fitzner war selber Flüchtling. Gramlow war 1949 Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks der evangelischen Kirche in Raisdorf. 1960 wurde schließlich eine „richtige“ Kirche gebaut und eingeweiht, die St.-Martinskirche. Das Lager verschwand.
Wie es kam, dass die Bibel aus dem Blickfeld geriet, konnte Ohl nicht mehr rekonstruieren. Lediglich ein Zeitzeuge, der bei Pastor Fitzner Konfirmationsunterricht gehabt hatte, habe sich noch daran erinnern können, berichtet Ohl. Ebenso unklar ist, wie das ungewöhnliche Exemplar überhaupt nach Raisdorf kam. Eine dünne Zeile mit Hinweis auf die Kongressbibliothek in Washington veranlasste Ohl dazu, dort nachzufragen und Fotos zu schicken.
Die Antwort war ergiebig: Es handele sich um eine US-amerikanische Ausgabe, die in den Jahren 1875 bis 1880 vom Verlag J. R. Jones gedruckt wurde. Dieser Verlag, auch als National Publishing Company bekannt, habe nach dem amerikanischen Bürgerkrieg Bibeln in aufwendiger Ausstattung für den Hausgebrauch veröffentlicht. Da es damals eine große deutschsprachige Gemeinde in den USA gab, sei eine deutsche Ausgabe für den Verlag vermutlich profitabel gewesen.
„Wie eine amerikanische Bibel in deutscher Sprache zum Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland kam, ist natürlich ein Rätsel“, schreibt der German Area Specialist der Kongressbibliothek weiter. Ohl hatte einen Zusammenhang mit den britischen Besatzungskräften in Schleswig-Holstein vermutet, das schloss der Spezialist aber aus.
Geplant ist nun, die Bibel im Vorraum der St.-Martinskirche auszustellen, im Rahmen einer Erinnerungsstätte an die Lagerkapelle. Das damalige Holzkreuz befindet sich bereits dort.